Anfang Februar wurde in Gemeinderat und Medien ein Projekt für Güssing präsentiert – das die seit Jahren immer wieder aufflackernde Diskussion um eine Sanierung / Erweiterung / oder doch Schließung des bestehenden Aktivpark-Hotels auf eine völlig neue Ebene hob: „Goldene Zeiten für Güssing brechen an“, war u.a. zu lesen, vom Bau eines 5-Sterne Hotel- und Konferenzzentrums, und der Kombination von Golf und Wohnen mit der Option auf weitere 250 Hotelvillen der Luxusklasse.
Seit dem herrschte Funkstille – bis zur gestrigen Gemeinderatssitzung, bei der ein Grundsatzbeschluss für das Projekt herbeigeführt werden sollte.
„Nicht, dass sich die Gemeinde Güssing bis dato in Sachen Transparenz oder Bürger-Innenbeteiligung besonders hervorgetan hätte. Aber die angekündigte Dimension des Projekts (es handelt sich um eine Fläche von rund 180 ha, das sind knapp 4 % der Gesamtfläche der Gemeinde Güssing), macht einen genaueren Blick ratsam,“ so Bezirkssprecherin Dagmar Tutschek.
Und dieser Blick wirft eine ganze Reihe von Fragen auf.
„Prinzipiell begrüßen wir Grünen ein Projekt, das zu einer gesamtwirtschaftlichen Aufwertung und unverwechselbaren Positionierung der Region führen könnte, Zuzug fördert und den Verbleib in der Region speziell auch für junge Menschen ermöglicht. Vorausgesetzt, es handelt sich um ein Konzept mit Kopf und Verstand“, stellte Landes-sprecher Michel Reimon eingangs außer Diskussion.
Bis dato lässt das Entwicklungskonzept für Güssing allerdings keine klare Linie erkennen:
Ausbau des Gewerbegebiets auf der einen Seite, Ausbau der Kaserne auf der anderen, Positionierung als Ökoregion als Überbegriff, damit verbunden die Förderung eines (auf die Güssinger Anlagen bezogenen) „Ökotourismus“; keine erkennbare Bereitschaft, die bisherigen Wohnlagen ohne Schlechterstellung ins Gesamtkonzept zu integrieren (Problemfall Ludwigshof).
Gerhard Schumacher, Unternehmensberater mit Firmensitz in St. Michael im Bgld: „Erster Schritt und prinzipielle Voraussetzung für die Implementierung eines groß angelegten Tourismusprojekts wäre somit eine integrative Gesamtplanung, die die Bereiche Raumplanung, Verkehr, Infrastruktur und Nachhaltigkeit gleichberechtigt umfasst – im Sinne einer ökonomisch-ökologisch-sozialen Gesamtbewertung.“
Aufgrund der bisherigen Informationen stehen 3 Fragenbereiche im Fokus:
1.) Flächenbedarf, Umwidmung, Baulandspekulation ?
Die zur Diskussion stehende Fläche umfasst rund 180 ha (knapp 4 % der Gesamtfläche der Gemeinde Güssing mit allen Ortsteilen), wird von Strem und Zickenbach geteilt und erstreckt sich – ausgehend vom bestehenden Aktivpark-Gelände – von der Badstraße im Süden bis zum Tobajer Hotter im Norden, begrenzt durch den Güterweg Krottendorf-Hasendorf im Westen und die Baulinie entlang der Wiener Straße (B57) im Osten. Derzeitige Widmung (seit positivem Abschluss der UVP): Grünland-Sportplatz / Golf.
Die Realisierung des aktuellen Projekts würde eine nochmalige Flächenumwidmung bedingen – von Grünland in Bauland. Ein Grundsatzbeschluss der Gemeinde zur Umwidmung der benötigten Baulandflächen ist somit auch Grundbedingung der Projektwerberin.
Durch Optionsverträge gesichert ist der Ankauf der derzeitigen Grünland- und Ackerbau-flächen, beziffert mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 4 Mio. Euro.
Das entspricht einem Gegenwert von EUR 1,50 bis max. EUR 2,00 pro m² (Nebenkosten inkludiert). Die aktuellen Preise für Bauland bewegen sich in Güssing derzeit zwischen EUR 30,00 und 36,00.
Im Falle einer Umwidmung wären die zum Grünlandpreis übernommenen Flächen somit schlagartig um den Faktor 15-20 im Wiederverkaufswert gestiegen.
Zum Vergleich: Bezogen auf die Gesamtfläche (und die geplanten Hotelvillen erstrecken sich laut Plan über einen großen Teil der Fläche) wären statt 4 Mio Euro beispielsweise rund 50-60 Mio Euro anzusetzen.
Stellt sich die Frage, welche Maßnahmen die Gemeinde ergreifen wird, um einer möglichen Baulandspekulation vorzubeugen ? „Die Projektwerberin könnte somit bereits durch die Umwidmung einen nicht unbeträchtlichen Gewinn erzielen, egal, ob das Projekt in weiterer Folge tatsächlich realisiert wird oder nicht“, so Gerhard Schumacher.
Nebenbei erfordert eine Flächenwidmung in diesem Ausmaß ein öffentliches Verfahren, dessen Ausgang die Gemeinde nicht garantieren kann.
2.) Geht das im Gemeinderat präsentierte Projekt mit der bereits abgeschlossenen UVP konform ?
Nein, de facto nicht. Nach unserer Information wurde zur UVP – abgesehen vom Golfplatz – ein wesentlich kleineres Bauprojekt eingereicht, das eine Erweiterung im unmittelbaren Bereich der aktuellen Aktivpark-Flächen vorsah. Ein 5-Sterne-Hotel mit Konferenzzentrum sowie die Option auf bis zu 250 Hotelvillen waren im damaligen Projekt offenbar nicht enthalten.
Dagmar Tutschek: „Diese Diskrepanz erfordert eine genaue Überprüfung – zumal die Projektwerberin in ihrer Präsentation die erfolgreich abgeschlossene Umweltverträglich-keitsprüfung als Vorleistung anführt. Immer häufiger wird versucht das Instrument der UVP durch die Stückelung von Bauvorhaben zu konterkarieren.“
3.) Wie wirkt sich das Projekt auf die Einnahmenstruktur der Gemeinde aus ?
Auch diese Frage erfordert Klarheit über Zahlen und Fakten: Altlasten aus dem bestehenden Aktivparkprojekt und eine laut Projektwerberin “budgetneutrale“ Refinanzierung der Infrastrukturkosten (der Anteil der Gemeinde kalkuliert mit 7 Mio Euro) werden einander gegenüber gestellt. Das vorliegende Zahlenmaterial lässt erwarten, dass die Gemeinde selbst über Jahre hinaus keine direkten Einnahmen aus dem Projekt lukrieren kann – per Grundsatzbeschluss müssen die direkt aus dem Projekt erwachsenden Gemeindeeinnahmen für die Refinanzierung der Infrastruktur zweckgewidmet werden.
Sollte die Gemeinde diese Grundsatzbeschlüsse nicht mit klarer, politisch akkordierter Mehrheit treffen und vertreten, wird eine Schließung des Aktivpark-Hotels angedroht – mit allen daraus resultierenden Konsequenzen.
Landessprecher Michel Reimon fasst die Forderungen der Grünen zusammen:
1.) Alle Fakten auf den Tisch. Transparente Aufarbeitung aller offenen, fragwürdigen und rechtlich nicht schlüssigen Punkte, sollte die Gemeinde wie angekündigt einer weiteren Realisierung des Projekts zustimmen oder bereits zugestimmt haben.
Seitens der Projektwerberin wurden bereits wiederholt Mogelpackungen mit großem Nachdruck ins Spiel gebracht, was das Vertrauen in einen seriösen Geschäftspartner unterminiert.
2.) BürgerInnenbeteiligung muss gewährleistet sein. Die bisherige Praxis der Gemeinde geht von Entscheidungen ohne Einbeziehung der Anrainer und Anrainerinnen aus.
3.) Keine schlampige Aushöhlung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Die aktuellen Projektdaten müssen mit dem in der UVP genehmigten Projekt 1:1 übereinstimmen. Eine unkorrekte Vorgehensweise darf keinesfalls toleriert werden.
4.) Projekte dieser Größenordnung sollen einer Nachhaltigkeitsprüfung unterzogen werden – unter Berücksichtigung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Folgen. Dazu gehörte auch ein (öffentliches) Verkehrskonzept für die gesamte Region – unter klima- und anrainerInnenfreundlichen Gesichtspunkten.