Die Grünen Sommerakademie mit dem Titel „Wachstum oder radikale Wende?“, die vom 23. bis zum 25.8.20ß12 in Goldegg/Salzburg stattfindet, beschäftigt sich mit der Frage des Übergangs: Wie kommen wir von einer wachstumsfixierten Gesellschaft zu einer Post-Wachstumsökonomie?
Die bisherigen Ausführungen haben dargelegt, wie ambitioniert dieses Unterfangen ist, geht es doch um nicht weniger als ein neues Zivilisationsmodell und eine neue Produktionsweise. Sie haben aber auch gezeigt, dass die Antworten eigentlich schon vorliegen, dass Lösungen gefragt sind, mit denen sich viele Menschen anfreunden könnten: Ausbau regionaler Kreisläufe für die Produktion und den Konsum lokaler Produkte, kürzere Arbeitszeiten, Mobilitätsformen, die ohne privaten PKW auskommen usw. Ein gutes Leben für alle, eine bescheidenere, auf die eigenen und regionalen Ressourcen ausgerichtete Lebensweise ist vorstellbar und möglich, und dieses bewusstere Leben und Arbeiten wäre durchaus als Gewinn von Lebensqualität zu organisieren. Es gibt nämlich viel zu gewinnen: Weniger Lärm durch Autos, weniger Schadstoffe im Essen, weniger Konflikte um knappe Ressourcen wie Öl, weniger Stress und Statusangst in Beruf und Freizeit …. Das andere Leben wäre also, Harald Welzer folgend, kein ärmeres Leben. Warum ist es dann aber so schwierig, den Übergang zu diesem Zivilisationsmodell einzuleiten?
Eine Erklärung ist, dass wir das Wachstumsdenken verinnerlicht haben, das „Mehr“ zur Triebkraft unseres Handelns geworden sei – so argumentiert zum Beispiel Harald Welzer: Mehr Erfolg im Beruf, mehr Spaß im Urlaub, mehr Abwechslung beim Essen und im Liebesleben. Tatsächlich ist Unruhe und Hast, die ständige Veränderung und grenzenlose Reizüberflutung ein Merkmal unserer Zeit – und Ausdruck einer Zivilisation und deren Krise. Tatsächlich geht es um eine Abkehr von diesem Denken und diesem Wertesystem: Es braucht eine Befreiung vom Überfluss und von Grenzenlosigkeit: es geht also darum, zu erkenne, dass Grenzen und Begrenzungen auch positiv sind – und nicht einzig selbstbestimmte Individuen schikanieren. Und zwar sind sie positiv, wenn sie gemeinsam ausgehandelt sind und einem gemeinsamen Ziel – dem Klimaschutz, der Gerechtigkeit, der Lebensqualität dienen. Für den Übergang zu einer Postwachstumsgesellschaft braucht es also mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung in unserem Gemeinwesen – von Verkehrsberuhigung bis zum Schutz vor gefährlichen Produkten.
Wenn wir eine Kreislauf- und Reparaturökonomie fördern wollen, d.h. die Industrie dazu bringen, dass Waren verstärkt lokal produziert werden und zu erschwinglichen Kosten reparierbar sind, dann wird es Regeln und Grenzen brauchen. Bestimmte Waren werden dann nicht auf den Markt kommen können; andere werden nicht über den ganzen Planeten verschifft werden. Warum nicht chinesische Produkte vermehrt für ChinesInnen? Gleiches gilt für Produkte, bei deren Herstellung soziale Rechte verletzt und ökologische Mindeststandards unterschritten werden. Ein neues Produktionsmodell, das aus der Wachstumslogik aussteigt, wird den Markt systematisch regulieren müssen. Es braucht also eine öko-soziale Marktwirtschaft in einem radikalen Sinne: Demokratie und politische Gestaltung hätten die Pflicht zur systematischen Regulierung von Märkten: Lokale Märkte wären gegenüber globalen zu bevorzugen; KleinanbieterInnen gegenüber Konzernen, sorgsam Wirtschaftende gegenüber ProduzentInnen, die externe Effekte zu externalisieren versuchen.
Niko Paech fordert die Stärkung der Selbstversorgung und Eigenproduktion. Dafür braucht es Zeit, weshalb die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit wichtig ist, um mehr Zeit für andere Arbeiten zu haben. Die Sorge um andere Familienmitglieder, das Engagement im Fussballclub und bei den PfadfinderInnen, das Pflegen des Gartens, etc. Heutzutage gelten diejenigen als LeistungsträgerInnen, die 60 und mehr Stunden Erwerbsarbeiten – und damit die Last der Pflegearbeit, der Kindererziehung und des Vereinswesens im Ort den anderen überlässt. LeistungsträgerInnen in einem Bereich, Minderleister in anderen. Eine vom Überfluss befreite Gesellschaft braucht hier mehr Ausgewogenheit. Sie muss Anreize schaffen, mit weniger Erwerbsarbeit auszukommen, und sich umgekehrt nicht durch mehr Erwerbsarbeit vor anderen Arbeiten drücken zu können. Dies schafft auch Gerechtigkeit in der Beziehung von Fondmanager und Elementarpädagogin: Die Lohn- und Einkommenssteuer für kleine Einkommen wird gesenkt, für hohe Einkommen und Überstunden erhöht.
Das sind kleine Beispiele, wie politische Maßnahmen Lebensstiländerungen fördern können, bzw. erst möglich machen. Viele andere Ideen existieren, andere Innovationen werden ausprobiert. Die Grüne Bildungswerkstatt möchte sich an diesen Experimenten beteiligen, mitdenken und animieren mitzutun. Es braucht eine breite Suchbewegung, wie ein gutes Leben für alle – hier und jetzt schrittweise Wirklichkeit wird.
Uns allen wünsche ich, dass die Sommerakademie dazu einen kleinen Beitrag leistet.
Andreas Novy ist ao. Universitätsprofessor an der WU-Wien und Obmann der Grünen Bildungswerkstatt